Ein erschöpftes Gehirn

Im vorherigen Artikel zu Werbebotschaften, gegen die sich kein Kunde wehren kann, ging es um die Grundlagen für die Wahrnehmung von Werbung im Kopf jedes Menschen. Dabei ging es u.a. um Verarbeitung von Informationen unter Low-Involvement, also wenn der Nutzer nicht gerade aktiv an dem beworbenen Thema interessiert ist. In diesem Artikel soll es etwas konkreter werden. Wie sollte ich meine Werbebotschaften aufbauen, damit sie unter Low-Involvement möglichst gut ankommen?

Das 3K-Modell –  Die kognitive Einstiegshürde niedrig halten

Das 3K-Modell gibt eine Anleitung dafür, wie persuasive Kommunikation aufgebaut sein sollte, um vom Gehirn eines low involvierten Menschen bestmöglich aufgenommen zu werden. Es geht dabei also um die Senkung der Wahrnehmungsbarriere.

Das 3K steht für Kontrast, Konsistenz und Klarheit. Während der Kontrast dazu dient, dass der potentielle Kunde sich der Botschaft zuwendet, dient die Konsistenz dazu, dass die werbliche Botschaft in ein bestehendes Schema hineinpasst. Denn nur dann ruft sie keine Irritationen hervor, die einen Ausstieg aus der Kommunikation bedeutet. Die Klarheit einer Werbebotschaft meint, dass sie eindeutig und verständlich ist, da Kommunikation unter Low-Involvement bedeutet, dass hauptsächlich die rechte Gehirnhälfte (System 1) aktiv ist, die nur einfache Informationen verarbeiten kann. Alles klar? 😉 Damit das etwas klarer wird, schauen wir uns die drei Bereiche mal etwas näher an.

Kontrast

Beim Kontrast gibt es die Unterscheidung zwischen dem inneren und äußeren Kontrast. Der innere Kontrast meint tatsächlich Gestaltungsaspekte. Wie gut hebt sich ein Objekt vor seinem Hintergrund ab. Welche Farben spielen eine Rolle. Aber auch das CI eines Unternehmens fällt in diesen Bereich. Damit ist der Empfänger sofort an der Art der Gestaltung erkennbar. Beispiele dafür sind die Telekom (Farbe Magenta), das gelbe M von Mc Donalds, sowie Sixt, mit ihrer eindeutigen und oft humorvollen Bildsprache, die sogar ohne Auto sofort wiedererkannt wird.

Beim äußeren Kontrast ist hingegen gemeint, wie gut die Werbebotschaft es vermag, den Kunden trotz des Low-Involvement zu aktivieren. Wie eigenständig, neuartig und kreativ ist die Kommunikation? Hier ist allerdings etwas vorsicht geboten. Denn ist unsere Idee zu kreativ oder abgedreht, müsste unser potentieller Kunde seine linke Hemisphäre (System 2) aktivieren, um sie zu verstehen. Es ist also immer eine echte Gradwanderung. Aber haben wir es geschafft, dass die Werbung wahrgenommen wird, sind wir ggf. auch bereits aus dem Low-Involvement-Bereich heraus. Ein Schritt in die richtige Richtung!

Konsistenz

Der Bereich der Konsistenz hat auch viel mit der Lernpsychologie zu tun. Die Prinzipien, die hier zugrunde liegen, sind Reize oder Einblendungen, die möglichst häufig wiederholt werden sollten, da sie nur unterschwellig wahrgenommen werden und sich nur langsam im Gedächtnis des potentiellen Kunden einschleifen. Es ist also ein reelles Brand-Thema.
Sixt Werbung von der Layen

Zudem sollten die Werbebotschaften nicht zu kurz gezeigt werden. Das ist jedoch in der Praxis des Onlinemarkteting nicht immer möglich. Einer der wichtigsten Punkte ist jedoch, dass sich die Werbebotschaft eines Absenders in ihrer Aussage und Gestaltung nicht zu sehr unterscheiden sollte, damit die Wahrnehmung der Werbung auch immer wieder auf das bereits gelernte Schema einer Marke einzahlt. Durch die Wiederholung und Reaktiverung von gelernten Schemata stärken sich die neuronalen Verbindungen im Gehirn. Bildlich gesprochen werden aus Trampelpfaden mit der Zeit richtige asphaltierte Straßen. Das Ergebnis ist eine bessere Erkennung und Erinnerungsleistung. Entsprechend spielt auch hier wieder das Thema CI eine wichtige Rolle. Positive Beispiele sind die Malboro-Werbung, oder auch wieder Sixt.

Klarheit

Habt ihr auch schonmal Werbung gesehen, bei der nicht klar geworden ist, wofür genau geworben wurde? Und genau deshalb ist dieser Punkt besonders wichtig.

Werbung unter Low-Involvement muss sofort auf den Punkt kommen, verständlich und klar sein. Ist die Botschaft nicht eindeutig oder irritierend, wird der Prozess der Verarbeitung und einer möglichen Conversion sofort abgebrochen.

Werbung von Bayern 4 Klassik

Wofür wird hier geworben? Küchenzeile, Radio, Mailand, Mode? Überraschung: Es ist der Radiosender Bayern 4 Klassik

Der Grund dafür liegt auch hier wieder in der Verarbeitung des Gehirns. Wie schon mehrfach gesagt, verarbeiten Menschen Werbung unter Low-Involvement hauptsächlich mit der rechten Hemisphäre und können dadurch einfache Botschaften und Eindrücke verarbeiten. Zum anderen schenken sie einer Werbeanzeige auch nur den einen Bruchteil einer Sekunde Aufmerksamkeit. Da bleibt keine Zeit für intellektuelle Botschaften. Zudem sollten wir auch die Zielgruppe im Auge behalten. Menschen mit einem geringen Bildungsniveau, z. B. Leser ein großen deutschen Boulevardtageszeitung, wären vielleicht mit dieser Anzeige überfordert und würden aufgrund von Irritation sich etwas anderem zuwenden.

Von Steve Krug stammt der Spruch zu dem gleichnamigen Bestseller-Buch “Don´t make me think”. Und das sollte das Motto von jedem Marketeer sein, der für Werbebotschaften unter Low-Involvement verantwortlich ist. Alles was kognitiv anstrengend ist, wird vermieden. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass Fließtexte in Werbeanzeigen kaum bis gar nicht gelesen werden.

Continental Regenreifen

Dank der humorvollen Darstellung lässt sich binnen Sekundenbruchteilen erkennen: Mit diesen Reifen stehst du auch bei starkem Regen sofort!

Kroeber-Riel hat gemessen, wie lange die erforderliche Betrachtungszeit von klassischen Textanzeigen und Bildanzeigen ist und wie lang die tatsächliche Betrachtungszeit von Menschen war. Um die Textanzeigen vollständig erfassen zu können, hätten Menschen 33-38 Sekunden benötigt. Eine lange Zeit. Tatsächlich nahmen sie jedoch nur 0,7 Sekunden (!) Zeit dafür. Das bedeutet, dass 98% des Inhalts nicht wahrgenommen wurden. Es ist anzunehmen, dass Menschen sofort aus der Conversion aussteigen, wenn die dargebotene Informationsmenge zu groß oder komplex ist.

Bei den Bildanzeigen waren im Schnitt 2 Sekunden erforderlich, um sie zu erfassen. Laut Kroeber-Riel schenkten Betrachter der Anzeige im Schnitt immerhin 1,3 Sekunden Zeit. Das sind jedoch immer noch 35% zu viel Information. Unterm Strich lässt sich sagen, dass Bilder die bessere Wahl sind, denn sie haben gleich mehrere Vorteile.

Zum einen lässt sich ein Bild in einem Sekundenbruchteil wahrnehmen. Stellen wir uns hierfür ein eine Werbeanzeige von einer Berglandschaft mit Serpentinen vor. Ein Mensch bräuchte ein Vielfaches der Zeit, um einen Text zu lesen, der diesen Eindruck vermittelt. Zudem zeigen Studien, dass sich Bilder deutlich besser erinnern lassen, da sie in beiden Hemisphären kodiert werden: in der rechten wegen des Eindrucks und in der linken, wegen der inhärenten Bedeutung. Und was ganz wichtig ist: Mit Bildern kann man Emotionen erzeugen.

Burdick (1997) hatte dazu ein treffendes Zitat gebracht:

“Weil wir in einer stark verbalisierten Welt leben und Eloquenz mit Kultiviertheit und Intelligenz gleichsetzen, wird die Sprache gegenüber dem Bild als intellektuell überlegen eingeschätzt. Doch der Mensch ist in erster Linie ein visuelles Geschöpf.”

Um es abschließend nochmal auf den Punkt zu bringen: Wenn ich die Möglichkeit habe, den Vorteil meines Produktes zu visualisieren, sollte ich von dieser Möglichkeit auch gebrauch machen.

Anzeige Uniroyal RegenreifenEin positives Beispiel lieferte der Reifenhersteller Uniroyal. Anstelle umfangreich zu beschreiben, dass der neue Reifen durch ein spezielles Profil, das von Haien inspiriert ist, und so mehr Grip auf der Straße erzeugt, der selbst bei starkem Regen einen souveränen Halt bietet, hat der Hersteller mit einem einfachen Bild seine Botschaft sofort auf den Punkt gebracht. Selbst wenn man sich inhaltlich nicht mit der Hai-Struktur auseinandersetzt, deutet das Bild an, dass man mit diesen Regenreifen selbst auf Straßen mit starkem Aquaplaning festen halt hat.

Beim Einsatz von Bildern ist jedoch Vorsicht geboten, da die Bildaussage klar und eindeutig sein muss.

Zusammengfassung

Gute Werbung zu machen ist im Grunde gar nicht so schwer. Es bleibt jedoch wichtig, sich die Grundlagen für Werbewahrnehmung regelmäßig vor Augen zu führen. Denn nur wenn die Werbung überhaupt die Möglichkeit hat, vom potentiellen Kunden verarbeitet werden zu können, kann sie ihre Wirkung auch entfalten. Andernfalls sind all die kreativen Ideen und mühevollen Konzepte und Stunden verschenkt.

Hier nochmal die wichtigsten Punkte zusammengefasst:

  • Konsumenten geraten täglich in einen Dauerbeschuss von Werbung
  • Die meisten Werbebotschaften prasseln auf Menschen unter Low-Involvement ein; das bedeutet, dass sie (zumindest gerade) nicht an dem Thema interessiert sind.
  • Daher ist beim Empfänger hauptsächlich die rechte Gehirnhälfte aktiv, die eher für Bilder und Eindrücke zuständig ist.
  • Die Verarbeitungskapazität unter Low-Involvement ist daher sehr begrenzt
  • Werbung muss daher so gestaltet sein, dass sie diese Prämissen berücksichtigt um überhaupt die Chance zu haben vom Empfänger wahrgenommen zu werden.

Einen Ansatz im Umgang mit dieser – aus Marketingsicht – eher schlechten Ausgangslage bietet das 3K-Modell. Der Kern des Modells sagt aus, dass jedwede persuasive Kommunikation durch Kontrast, Konsistenz und Klarheit geprägt sein muss. Die inhärenten Annahmen dahinter sind, dass die Werbebotschaft wahrgenommen werden können muss, Aufmerksamkeit erzeugen soll und dennoch in bestehende Schemata passen muss, um nicht als zu fremdartig oder irritierend wahrgenommen zu werden. Hier wiederhole gerne nochmal den Ausspruch von Steve Krug: “Don´t make me think!

Wenn euch dieser und auch der vorherige Artikel zu „Werbebotschaften, gegen deren Wirkung sich kein Kunde wehren kann“ gefallen haben, lasst es mich wissen und schreibt es in die Kommentare. Falls ihr Ergänzungen habt oder gegensätzlicher Meinung seid, schreibt es ebenfalls gerne in die Kommentare! Ich freue mich über einen Austausch mit euch.

Geschrieben von Marcel Gabor
Marcel Gabor ist Autor des Blogs und Marketing Enthusiast. Er befasst sich mit Themen des Online-Marketings, der Sozialpsychologie und der Netzpolitik.